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Um den grossen Berg | Illustrationen | |||||||||||
Die Schneekoppe als Inspirationsquelle deutscher Künstler im 19. und 20. Jahrhundert Piotr £ukaszewicz | ||||||||||||
Erste bildliche Darstellungen des Riesengebirges stammen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es sind sog. Panoramas, weitreichende Ansichten des Gebirgskammes, in denen die einzelnen Gipfel konventionelle Formen bekommen, die an frühere kartographische Zeichnungen erinnern. Der Schneekoppe mit einer übergroßen Kapelle auf dem Berggipfel kommt hier natürlich der wichtigste und höchste Rang zu. So ist das Panorama (Il. 14) des Breslauer Radierers Johann Bartholomäus Strahovsky (gest. um 1790)1 von etwa 1725, das später von dem bekannten Zeichner Friedrich Bernhard Werner wiederholt worden ist. Gemälde, die auf die Beobachtung der Natur zurückgingen, tauchten gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf. Der erste moderne Maler des Riesengebirges war Christoph Nathe (1753-1806) aus Niederbielau bei Görlitz. Im Geiste des Klassizismus in Leipzig ausgebildet, machte er seine erste Reise ins schlesische Gebirgsland (nach Hirschberg, Warmbrunn und Schmiedeberg) im Juli und August 1782. Die einsame Gratwanderung hat erhabene Gefühle in ihm hervorgerufen, die er auch in Worten auszudrücken versuchte. Als er die Schneekoppe bestieg, war er begeistert: "Allein auf einem sehr hohen Berg zu sein! Alles was Erdenleben heißt, nur noch tief unter seinen Füßen in der Rückerinnerung zu wissen; den Horizontkreis um sich in die Luft verschwinden zu sehen, keinen lebendigen Laut mehr zu hören, über sich den blauen, reinen Äther ohne Ende, in diesem schwimmend den blendenden Lichtball, die wärmende Sonne, als das einzige Objekt, das uns noch wohl will, sich so bei heiterer Windstille seinen Empfindungen hinzugeben, ist eine wonnige Lage."2 . Damals entstanden die ersten Ansichten der hohen Gebirgspartien. Nathe malte die Schneekoppe mit Aquarell- und Guaschfarben, zeichnete sie mit der Sepia aus verschiedenen Blickwinkeln: vom Koppenplan her, wobei sie durch scharf gezeichneten Schatten übertrieben abgeschnitten erscheint, eine majestätische Ansicht vom Süden, vom Riesengrund her, eine andere - vom Aupagrund her gesehen3 . Die Darstellungen der Schneekoppe wetteiferten in Nathes wie auch aller seiner Nachfolger Kunstschaffen mit Darstellungen anderer Ausschnitte des Riesengebirgskammes, insbesondere mit denen der "alpinen" Schneegruben. Ein persönliches Erlebnis der Gebirgslandschaft machte Nathe zum Vorgänger der Romantiker. Nathe verwendete nur selten Ölfarben, daher gilt ein anderer Maler als Entdecker des Riesengebirges, nämlich Carl Sebastian Christoph Reinhardt (1738-1827), Mitglied der Berliner Kunstakademie, der aus Berlin kam und sich auf Wunsch der Akademiebehörden und des preußischen Ministers von Heinitz 1789 in Hirschberg niederließ. Seine Aufgabe war, für den König eine Reihe von Landschaften des immer häufiger besuchten schlesischen Gebirges zu malen. Es waren zumindest sechzig solche Landschaften entstanden. Ein Teil von ihnen wurde durch die graphischen Kopien Daniel Bergers popularisiert. Sie stellten meist Ansichten von Tälern dar, weil Reinhardt der Meinung war, dass man "von den höchsten Bergen nichts Malerisches sehen" könne, was Thema eines Gemäldes werden könnte4 . Die Schneekoppe krönt das Panorama des Ostrandes des Riesengebirges, der in einer blassblauen Ferne aus mehreren Blickpunkten gezeigt wird, u.a. aus den Bibersteinen, aus Grunau auf den Hirschberger Talkessel hin5 , vom Weg von Arnsdorf nach Krummhübel (mit einer Brücke über die Lomnitz), vom Weg nach Stonsdorf oder auch von der Umgegend Schmiedebergs. Die Zeitgenossen lobten diese Gemälde, denn sie seien "voll Natur und Wahrheit"6 , heute scheinen sie vielmehr von der Konvention der klassizistischen oder gar noch der barocken Landschaft gelebt zu haben. Reinhardt ging in Holland in die Lehre und blieb unter dem Einfluss der niederländischen Landschaftsmalerei. Neben Bildfragmenten, die auf die Beobachtung der Natur zurückgehen, kommen in seinen Gemälden (insbesondere im Vordergrund) konventionelle Elemente vor: pittoreske Bäume und Steinblöcke als Rahmenkulisse der Komposition, übergroße Pflanzen und unverhältnismäßig kleine Personen. Konventionell ist ebenfalls die Farbgebung, bei der Brauntöne im Vordergrund, Grün in den mittleren Partien und bleiches Blau im Hintergrund überwiegen. Reinhardt blieb bis sein Lebensende in der Umgegend des schlesischen Gebirges, andere Künstler waren hier mehr oder minder vorübergehend anwesend. Im Unterschied zu Reinhardt, der in seiner malerischen Art die Kontraste von Licht und Schatten auswertete, stellte der Schweizer Friedrich Frégévize (1770-1849) Ansichten der schlesischen Berge, darunter auch Ansichten mit Schneekoppe im Hintergrund, mit der pedantischen Sorgfalt eines Miniaturmalers dar, indem er die Landschaft in einen geordneten, am Horizont von Bergsilhouetten abgeschlossenen Garten verwandelte. So war z.B. die heute verschollene Ansicht von der Schneekoppe aufgenommen von dem Weg, welcher von Erdmannsdorf nach Stonsdorf führt von 1829, in der eine Schäferszene im Vordergrund zu sehen ist7 . Die gegen Ende des 18. Jahrhunderts wachsende touristische Attraktivität des Riesengebirges hatte nicht nur Maler, sondern vor allem Graphiker hierhergelockt, die eine Vervielfältigungskunst für den Massenempfänger betrieben. Unter ihnen gab es auch wandernde Radierer, Eigentümer der Verlage, die sich auf die Alpenthematik spezialisierten, wie etwa Jan Morino, welcher bemüht war, der Schneekoppe die schlanke Gestalt eines Alpenberges zu verleihen (Ansicht von Schmiedeberg und Umgebung, kolorierte Radierung)8 , oder Johann Heinrich Bleuler (1758-1823), Autor der Arbeiten in der sog. Aberlinischen Manier, d.h. Konturradierungen, die von der Hand mit Guaschfarben illuminiert wurden (Blick auf Schmiedeberg vom Landeshuter Kamm, mit Schneekoppe im Hintergrund, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg9 ). Unter diesen Graphikern fällt Antonín Karel Balzer (1771-1807) auf, nicht so sehr durch technische Reife wie durch die Dramaturgie seiner Landschaftsszenen. In einer Serie der kolorierten Radierungen mit Aquatintinta von 1792 erscheint der Gipfel der Schneekoppe allzu walzenförmig, umgeben von malerisch zerfransten Wolken, denen ebenfalls unregelmäßige Flecken des Krummholzes auf dem flachen Vorfeld des Berges entsprechen; die Kapelle ist da herkömmlicherweise übergroß, im Vordergrund sind zwei Wanderer zu sehen. Zu dieser Serie (Il. 15, ?) gehört der Blick von der Schneekoppe auf den Brunnberg, den zweithöchsten Gipfel des Riesengebirges, mit Wasserfällen von dem Quellgebiet der Groß-Aupa; die Ansicht reicht bis an die Gebirgsketten auf der tschechischen Seite am Horizont; zwei Touristen beobachten dieses Naturspektakel10 . Im Juni 1810 machte sich Caspar David Friedrich (1774-1840) in Begleitung seines Kollegen, ebenfalls Malers, Georg Kersting auf den Weg von Dresden ins Riesengebirge. Friedrich, vielleicht der hervorragendste Maler von jenen, die jemals die schlesischen Berge besuchten, hatte diese Expedition auf eine besondere Art und Weise erlebt. In den gesehenen Landschaften erblickte er eine Abspiegelung seiner metaphysischen Visionen, gemäß dem von ihm verlautbarten Prinzip: "Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht." Seine Reise erbrachte eine Reihe von Bleistiftskizzen und Aquarellen, die ihm dann - manchmal erst viele Jahre später - als Grundlagen für Kompositionen in Öl dienten, die den Charakter von Landschaftsallegorien aufwiesen. Der Künstler hatte seine Studien oftmals umkomponiert, er verband mehrere Skizzen in einem Gemälde, stellte sogar Motive zusammen, die aus geographisch verschiedenen Landschaften genommen worden waren. Daher ist eine topographische Identifizierung der Landschaften Friedrichs nicht immer leicht, wenn überhaupt möglich11 . Die Riesengebirgslandschaft von etwa 1823 (Hamburg, Kunsthalle)12 galt früher als eine Landschaft aus dem Harzgebirge. Wahrscheinlich stellt sie eine Ansicht von Warmbrunn aus auf das Vorgebirge und die Schneekoppe dar. Die mit intensivem Grün gemalte Ebene, die in einen gelben Streifen des Getreides übergeht, symbolisiert das Diesseits und die reife Lebensphase; sie wird dem Jenseits in Gestalt des blauen Gebirgskammes und der dominierenden Schneekoppe als Symbol Gottes gegenübergestellt. Eine verschollene Zeichnung, entstanden während einer Schneekoppenbesteigung (auf dem Koppenplan, oberhalb der Wiesenbaude, mit einem weiten Blick über den Ziegenrücken bis Jeschken) lieferte Motive für zumindest zwei Gemälde, die sich zur Zeit in der Petersburger Eremitage (Morgen im Gebirge, 1822/1823) und in der Berliner Nationalgalerie (Riesengebirge. Vor Sonnenaufgang, 1830-1835) befinden13 . Das im Nebeldunst in den Hintergrund gehende Panorama des Gebirges ist eine Allegorie der jenseitigen Wirklichkeit, während die phantasievollen Felsen des Vordergrunds das diesseitige Leben mit einem festen Grundboden des Glaubens ausmachen, die im Hintergrund von einem Tal als Sinnbild des Todes von der Landschaft abgetrennt werden. Auf beiden Gemälden sind Personen zu sehen: ein am Abgrund sitzendes Paar, das über die Landschaft nachdenkt, auf dem Petersburger Bild und ein einsamer Wanderer auf einem Felsen auf dem Berliner Gemälde. Die Schneekoppe erscheint noch einmal in der Erinnerung an das Riesengebirge (Eremitage, um 1835)14 . Rechts vorn ist das Quellgebiet der Elbe zu sehen, die Berge im Hintergrund sind: Silberkamm, Ziegenrücken und Planur, gekrönt von der Schneekoppe (Il. 16). Vergleicht man dieses Bild mit dem wirklichkeitsnäheren Aquarell aus der Münchener Sammlung Winterstein15 , so erkennt man, wie die Landschaft umgestaltet und dramatisiert worden ist. Der Maler hat den Gipfel der Schneekoppe nach rechts verschoben, ihn wesentlich erhöht und auf diese Weise eine Dominante der ganzen Komposition geschaffen; die durch den steigenden Nebel entmaterialisierten Berge unterscheiden sich in ihrer Erscheinung von dem materiell irdischen Vordergrund, in den auf der linken Seite mit Phantasie gestaltete Felsen einkonmponiert worden sind. Dieses Verfahren dient hier dem Zweck, der Ansicht einen allegorischen Sinn zu verleihen; der schmale Gebirgsbach ist dabei ein Symbol des Lebens. Auch andere romantische Maler aus Dresden (und nicht nur aus Dresden) besuchten das Riesengebirge, wie etwa Carl Gustav Carus, Johann Christian Clausen Dahl, Caspar Scheuren, doch keiner von ihnen hatte die Intensität Friedrichs Landschaftsvisionen erreichen können. Die hiesige Landschaft hatte keine bedeutende Rolle in ihrem Schaffen gehabt, vielleicht mit Ausnahme Ludwig Richters (1803-1884), der 1838 nach Schlesien kam, im Zusammenhang mit dem Auftrag eines Leipziger Verlegers, Illustrationen für den Band Riesengebirge aus der Serie Das malerische und romantische Deutschland anzufertigen. Die damals entstandenen Aquarelle, nach denen Stahlstische ausgeführt wurden, hatten die Landschaft des Riesengebirges populär gemacht. Die Schneekoppe tritt hier auf als Dominante weit reichender Ansichten: von den Friesensteinen im Landeshuter Kamm und vom Weg bei Arnsdorf (diese zweite Auffassung erinnert an eine der Landschaften Reinhardts)16 . Im Unterschied zu Friedrich galt Richters Interesse nicht einer metaphysischen Idee, die sich in der Landschaft ausdrückte, sondern dem Irdischen und dem Charakteristischen an ihr. Daher bereicherte er gerne seine Bilder mit Genreszenen, worin bereits die neue Poetik des Biedermeiers zum Ausdruck kam. Viele sachliche und sentimentale Landschaftsmaler, die mit dieser Strömung der bürgerlichen Kunst verbunden waren, kamen seit den zwanziger Jahren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ins Riesengebirge. Zu ihnen gehörte Friedrich Wilhelm Delkeskamp (1794-1872), der früher für Graf Raczynski aus Rogalin tätig war, Schöpfer einer realistischen Ansicht in Aquarell von der Umgegend des Mittagssteins auf den Großen Teich und auf die Schneekoppe17 . Nachdem der König und die Mitglieder der preußischen Herrscherfamilie einige Residenzen am Fuß der Schneekoppe, vor allem in Erdmannsdorf, erworben hatten, kamen auch Berliner Maler hierher, u.a. Johann Heinrich Hintze (1800-vor 1862) und Wilhelm Brücke (um 1790- nach 1850). Ein Gemälde des letzteren, Blick auf Arnsdorf und Schneekoppe (1844, Nationalmuseum in Breslau), stellt eine idyllische, sonnige, am Horizont mit dem Gebirgskamm (in dessen Mitte die Schneekoppe) abgeschlossene Landschaft dar, deren Komposition ausgewogen und Zeichnung präzise sind (Il. 17). Auf der Wiese im Hintergrund weidet das Vieh, im Vordergrund sind Personen in Volkstrachten zu sehen; bei der Bäuerin und dem Jungen handelt es sich um Religionsflüchtlinge aus Tirol. Ein anderes, heute verschollenes Gemälde Brückes von 1846 zeigte die zwei Jahre früher in Brückenberg aufgestellte norwegische Kirche Wang, der sich eine Gruppe vornehmer Touristen nähert; eine Dame wird in der Sänfte getragen. Den Bildhintergrund machte der Gebirgskamm mit der wolkenbedeckten Schneekoppe aus18 . Auch viele schlesische Künstler der Biedermeierzeit suchten nach Motiven in der Nähe der Schneekoppe. Florian Grosspietsch (1789-nach 1839) plazierte eine sentimentale Szene mit einem Hirten, der einem Reiter am Rande des Dorfweges einen Blumenstrauß überreicht, vor dem Hintergrund eines blauen Gebirgspanoramas mit dem Gipfel der Schneekoppe19 . Der gelehrte und hochbegabte Amateurmaler und zugleich Verfasser von Führern durch die schlesischen Gebirge, Karl Friedrich Mosch, malte idyllische Ansichten von Hirschberg, Fischbach und Seidorf mit der im Hintergrund emporragenden Schneekoppe20 . Der Bedarf an Andenken seitens der immer zahlreicheren Touristen, die zu den schlesichen Bergen und Kurorten kamen, hatte es zur Folge, dass die Vervielfältigungstechniken: zunächst Kupferstiche, dann zunehmend Lithographien mit Vorliebe angewendet wurden. In diesen Techniken ausgeführte Landschaften wurden vielerorts, auch in der Baude auf dem höchsten Berg, verkauft. Die Traditionen Balzers, der Schweizer Graphiker und des Breslauer Kupferstechers Friedrich Gottlieb Endler (1763-nach 1830) wurden von Künstlern aus Schmiedeberg: Friedrich August Tittel (um 1770-nach 1833), Carl Theodor Mattis (1789-1881) und Carl Julius Rieden (1802-1858) fortgestetzt. Die Schmiedeberger Künstlergruppe konnte dank Ernst Wilhelm Knippel (1811-1900) fast bis Ende des 19. Jahrhunderts tätig sein. Die Ansichten der Schneekoppe wurden aus verschiedenen Blickpunkten gezeigt: von den Tälern (aus Erdmannsdorf und Buchwald), von den Bergen (vom Kleinen und Großen Teich, vom Koppenplan, wie z.B. die kolorierte Lithographie von Mattis, die etwa 1830 entstand und eine seltsame Pflanzenwelt wie auch eine Touristengruppe im Vordergrund zeigt21 ), von den Grenzbauden. Von der tschechischen Seite wurden zumeist Ansichten vom Riesengrund, vom Quellgebiet der Elbe und von der Wiesenbaude her angefertigt. Dargestellt wurden dann nur der Berggipfel und die darauf stehenden Bauten: die Laurentiuskapelle, die 1824-1850 die Funktion einer Herberge hatte (Innenraum auf einer Mattis zugeschriebenen Lithographie, um 183022 ) und die Bauden, angefangen mit der ersten von 1850; aufgezeichnet wurden auch tragische Ereignisse, wie der Brand der Baude von 1857. Auch Ansichten von der Schneekoppe aus waren Themen für Radierungen und Lithographien. Knippel hatte 1881/1882 ein ganzes Panorama in lithographischer Technik gezeichnet, das aus Ansichten in alle vier Himmelsrichtungen bestand23 . Charakteristische Ansichten des Riesengebirges, in einer realistischeren Form bei einer gekonnten Wiedergabe der Raum- und Helldunkeleffekte, zeichneten die Illustratoren Louis Ferdinand Koska (1808-1862) und Theodor Blätterbauer (1823-1906) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vom ersteren stammt die Ansicht des Schneekoppengipfels mit Kapelle und Baude, die in der lithographischen Fassung im Schlesischen Album (1854-1862)24 veröffentlicht worden ist. Der andere fertigte mehrere Zeichnungen an, die in Form der Stahlstiche das Werk Franz Schrollers Schlesien (um 1880) illustrierten, darunter eine Ansicht von der Schneekoppe von Glausnitz aus25 . In der Malerei dagegen hatte sich indes ein neuer Stil verbreitet, der nach neuen, vielmehr anonymen Motiven suchte, die eine Gelegenheit für ein Studium von Licht, Atmosphäre und Farbe boten aber nicht auf die Stimmung verzichten ließen. Der ins Riesengebirge verliebte Breslauer Maler Adolf Dressler (1832-1881), Endecker der Schönheit von Hain, malte die Schneekoppe nicht oft. Hatte er es aber getan, dann stellte er den Berg so dar, wie auf einer seiner Freilichtstudien (Blick auf den Melzergrund und Krummhübel, 1870-1880, Nationalmuseum in Warschau), die mit breiten Pinselzügen in dunkelblauen Tönen aufgebaut wurde (Il. 18); die Bergspitze ist da bedeckt mit graublauen Regenwolken, die mit einem hellen, grüngelben Ackerfeld im Vordergrund kontrastieren. Derselbe Maler griff nach extrem naturalistischen Mitteln, als er im Auftrag das Riesengebirgspanorama schuf; es war eine bemalte, im Halbkreis aufgestellte, beleuchtete Leinwand, deren optische Verlängerung das sog. Vorterrain ausmachte26 . Das Panorama, das für die größte touristische Attraktion Schlesiens auf der regionalen Ausstellung von 1881 in Breslau warb, zeigte eine Ansicht von der Bismarckhöhe aus. So spielte hier die Schneekoppe eine geringere Rolle, im Gegensatz zu der Großen Sturmhaube und den Schneegruben (vgl. das Ölstudium der Ansicht, erhalten im Museum in Hirschberg). In der zweiten Hälfte und insbesondere im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurden die Maler, die die Riesengebirgslandschaft wiedergaben, sehr zahlreich. Dies hing zusammen mit anwachsender zahlenmäßiger Stärke des schlesischen Künstlermilieus und der Entwicklung der Breslauer Kunstschulen im Bereich der Landschaftsmalerei. 1879 wurde Dressler Leiter des Meisterateliers für Landschaftsmalerei, nach seinem Tode hatte Carl Ernst Morgenstern (1847-1928) die an der Breslauer Kunstschule (der späteren Akademie) neugegründete Klasse für Landschaftsmalerei übernommen. Der aus München eingewanderte Maler entdeckte allmählich die Schönheit Schlesiens, indem er für seine Schüler Pleinairstudien an diversen Orten (seit Ende der achtziger Jahre zumeist im Riesengebirge, in der Umgegend Krummhübels) veranstaltete (Il. 29, 30). Sie fanden auch an der tschechischen Seite statt, so malte er z.B. 1906 mit seinen Schülern in Petzer. Mit der Zeit ließ er sich selbst in der Nähe der Schneekoppe nieder, baute sich ein Haus zwischen Steinseiffen und Wolfshau. Auf Grund der Pleinairstudien schuf er im Atelier große Gemälde, häufig unter Anwendung besonderer Beleuchtungseffekte: des endenden Sonnenuntergangs und der einsetzenden Abenddämmerung (Blick vom Großen Teich auf die Schneekoppe, 1899, verschollen, vom Künstler mehrmals wiederaufgenommen27 ) oder einer Mondnacht (Hochmoor auf dem Koppenplan im Mondschein, 189728 ). Bekannt wurde er vor allem durch Ansichtskarten, die seine Ölgemälde bzw. eigens für diesen Zweck ausgeführten Aquarelle reproduzierten. Diese Ansichtskarten hatten nun eine ähnliche Rolle gespielt, wie früher die Radierungen und Lithographien der "Schmiedeberger Gruppe" es taten. Zahlreiche Ansichten der Schneekoppe in verschiedensten Auffassungen konnte man in der Baude am Gipfel mit dem Aufdruck "Eigentum und Verlag von E. Pohl, Schneekoppe" erwerben. Von Morgensterns Zeitgenossen, die mit seiner Schule nicht verbunden waren, müsste hier Paul Linke (1844-1917) erwähnt werden, und zwar wegen seiner Zeichnungen und nicht mehr erhaltenen Bilder der Schneekoppe (Il. 41), wie z.B. eine majestätische Ansicht vom Melzergrund bzw. vom sog. Schlesischen Weg (Bleistift, Nationalmuseum in Warschau)29 . Die Schneekoppe, zumal im Wintergewand, begeisterte den hervorragendsten Maler des Breslauer Jungendstils, Max Wislicenus (1861-1957), ebenfalls Professor an dortiger Kunstakademie, Mitgestalter deren Reformen zu Anfang des 20. Jahrhunderts). Bereits in den späten neunziger Jahren beteiligte er sich an Schiexkursionen ins Gebirge, zunächst betreut von seinem befreundeten Schilehrer und Eigentümer der Neuen Schlesischen Baude, Adolph. "Damals malte ich oft kleine Studien im Freien, indem ich selbst auf Schneeschuhen mein Malgerät auf einem Sportschlitten hinter mir herzog."30 So entstanden zahlreiche Studien des Höchsten Berges, die ihn zumeist vom Süden her zeigten, z. B. vom Weg von Brunnberg zur Geiergucke bzw. vom Fuchsberg31 . Die letztere Fassung, aufgebaut mit flachen Flecken warmer, im goldenen Sonnenschein kulminierender weißer Töne und mit kalten Blautönen bei türkisfarbenem Himmel mit leichtem Rosaschimmer, wiederholte der Künstler in einer monumentalisierten Form (u.d.T. Winter, aus dem Zyklus dekorativer Panneaux von 1918 für das Hirschberger Museum, die das Riesengebirge in vier Jahreszeiten zeigten). Die Schneekoppe kam dort noch im Bild Sommer vor, auf dem sie über einem weit reichendem Gebirgspanorama vor dem Hintergrund des Hirschberger Kesseltals emporragte. Von allen diesen Bildern ist nur der Winter erhalten (Museum in Hirschberg, Il. 19), erhalten sind auch die Vorstudien (in der Sammlung der Familie des Malers in Hamburg). Das Motiv der schneebedeckten Bäume im Vordergrund, die an phantastische Gestalten denken lassen und der Darstellung des Winters eine märchenhafte Stimmung verleihen, kam in den Gemälden Wislicenus' auch selbständig vor. In der Neuromantik der Jahrhundertwende wurzelte auch die Kunst Erich Erlers (1870-1946), der vor allem durch die Alpenlandschaft angeregt worden war. Seltener griff er nach Bergmotiven aus seiner Heimat, indem er mit Aquarell- und Guaschfarben z.B. das geheimnissvolle, dunkle Massiv teilweise wolkenbedeckter Schneekoppe malte (undatierte Arbeit, Nationalmuseum in Breslau) (Il. 20). Der Dresdener Maler und Graphiker Otto Fischer (1870-1947) verbrachte in den Jahren 1900-1908 jeden Winter und Vorfrühling in den Bauden in der Nähe der Schneekoppe, wo er rauhe, asketische Darstellungen schneebedeckter Abhänge, Hochebenen und Hochmoorlandschaften schuf (Schneeschmelze, Pastell, vor 1908, Nationalmuseum in Warschau32 ; Koppenplanlandschaft, Mezzotinta) (Il. 21). Er wurde dort von zwei Schülern Morgensterns begleitet: Alfred Nickisch (1872-1948) und Heinrich Tüpke (1876-1951). Von den Malern, die zu dieser Zeit das Riesengebirge besuchten, soll hier Edward Harrison Compton (1881-1960) genannt werden, ein in München tätiger Engländer, der naturalistische Schneekoppenlandschaften von unterhalb des Riesengebirgskammes von der südwestlichen Seite schuf (Haus Schlesien, Königswinter)33 und eine klassische Ansicht von Schmiedeberg aus malte (Privatbesitz). In beiden Fällen ist der Berg übermäßig hoch, mit einem zu spitzen Gipfel. Das Milieu der in der Umgegend des Riesengebirges tätigen Künstler war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von den Absolventen der Morgensternschen Klasse für Landschaftsmalerei dominiert. Die meisten von ihnen hatten die naturalistischen und akademischen Methoden ihres Lehrers aufgegeben. Paul Weimann (1867-1945), Autor unprätentiöser Landschaftsstudien von verschiedenen Tages- und Jahreszeiten (Blick auf Riesenkamm und Schneekoppe, Museum in Hirschberg)34 ist wohl seinem Meister am treuesten geblieben (Il. 35). Georg Wichmann (1876-1944) stellte die Schneekoppe in seinen sonnigen, farbgesättigten Skizzen dar, insbesondere in den Jahren 1914-1924 (mit Unterbrechung in der Kriegszeit), als er in Bärndorf bei Schmiedeberg lebte35 . Dann übersiedelte er nach Schreiberhau, wo 1922 die Künstlervereinigung St. Lukas gegründet wurde, die die meisten Riesengebirgskünstler verband. Zu ihr gehörten auch jüngere Schüler Morgensterns, wie Franciszek Jackowski (1885-1974) und Hans Oberländer (1885-1945), die die Ansichten nicht nur des westlichen, sondern auch des östlichen Teiles des Riesengebirgskammes malten und dabei die Errungenschaften neuer Kunstströmungen in Anspruch nahmen (Schneekoppe im Winter von Oberländer, 1939, mit dem Motiv nackter, "expressionistischer" Bäume36 ). Zum Maler des höchsten schlesischen Berges wurde der seit 1921 in Krummhübel, später in Hirschberg lebende Friedrich Iwan (1889-1967), der sich neben Aquarellmalerei hauptsächlich graphischer Techniken bediente, mit denen er jedoch sehr malerische Effekte erreichte. Er mochte besonders den Winter und Vorfrühling, und in der Landschaft suchte er vor allem die Stimmung, die er mit der Komposition des Bildes und dem Spiel von Licht und Schatten erreichte (Vorfrühling, 20er Jahre des 20. Jh., Farbenradierung, Aquatinta) (Il. 22). Mit der Tätigkeit dieser Künstlergeneration, die durch die Zäsur des Jahres 1945 plötzlich abgebrochen wurde, wurde eine Epoche künstlerischer Darstellungen des Heiligen Berges Schlesiens abgeschlossen. Für ihre symbolische Beendigung können die Gemälde von Otto Dix (1891-1969), dem bedeutenden Maler der Avantgarde, Professor an der Dresdener Akademie, aus der er 1933 entlassen wurde, angesehen werden. Zu Anfang der vierziger Jahre bekam er einen Auftrag vom schlesischen Industriellen und Kunstsammler Albrecht Haselbach, einen Zyklus religiöser Szenen zu schaffen, die sich vor dem Hintergrund der Schneekoppengegend abspielen, u.a. des Koppenplans, des Kleinen und Großen Teiches, des Melzergrundes37 , und direkt an die Werke Caspar David Friedrichs anknüpfen. Piotr £ukaszewicz Dr. Piotr £ukaszewicz - Kunsgeschichtler, Kurator der Abteilung Malkunst im Nationalmuseum in Wroc³aw. Forscher und Kenner der Malerei des 19. u. 20. Jhts und Autor von vielen Veröffentlichungen, Ausstellungen, u.a. der schlesischen Malerei. In dem Aufsatz wurden folgende bibliographische Positionen ausgewertet (chronologisch aufgestellt, in Klammern: in Anmerkungen angewendete Kurztitel): G. Grundmann, Das Riesengebirge in der Malerei der Romantik, [I. Aufl.], Breslau 1931 (Grundmann I); [II. Aufl.], München 1958 (Grundmann); Das Riesengebirge in der Kunst des 19. Jahrhunderts, Schlesisches Museum der bildenden Künste [Ausstellungskatalog], Breslau 1937; G. Grundmann, Künstler und Künstlertkolonien im Riesengebirge, "Jahrbuch der Schlesischen Friedrich Wilhelms-Universität zu Breslau", 17: 1972, S. 349-384; Das Riesengebirge in der Graphik des 18. und 19. Jahrhunderts [Ausstellungskatalog], Marktoberdorf/Allgäu (Das Riesengebirge in der Graphik...); H. Wichmann, Georg Wichmann 1876-1944. Der Maler des Riesengebirges und sein Kreis, Würzburg 1996 (Wichmann); M. Staffa, Karkonosze, Wroc³aw 1996 (Staffa); P. £ukaszewicz, A. Kozak, Bilder der Natur. Adolf Dressler und die schlesischen Landschaftsmaler in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Nationalmuseum in Breslau, Nationalmuseum in Warschau; [Ausstellungskatalog], Wroc³aw 1997 (£ukaszewicz, Kozak); Die imposante Landschaft. Künstler und Künstlerkolonien im Riesengebirge im 20. Jahrhundert, Gesellschaft für interregionalen Kulturaustausch, Berlin, Muzeum Okrêgowe w Jeleniej Górze, Berlin und Jelenia Góra 1999 [Die imposante Landschaft]; P. £ukaszewicz, Sudety oczami malarzy. Z dziejów przedstawiania gór w malarstwie XIX i pierwszej po³owy XX wieku [Die Sudeten in den Augen der Maler. Aus der Geschichte der Gebirgsdarstellungen in der Malerei des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts], in: A. Wójcik (Hrsg.), Góry polskie w malarstwie. Materia³y z Sympozjum, Kraków 1999, S. 24-44. | ||||||||||||
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