VERSION

polska
ceska

Ausstellungen

Verzeichnis der Ausstellungs-
teilnehmer

Um den grossen Berg

Illustrationen
Moderne
Historische

Zeitgenössisches aus der Tradition ?

Joanna Mielech

Landschaftsblicke sind ein wichtiger Bestandteil, der unsere Existenz hier und jetzt bestimmt. Versuche, diese Ingredienzen zu bewahren, haben ihren natürlichen Ursprung in den ästhetischen Bedürfnissen der Menschen. In der Natur gesehene Bilder kann man mithilfe von zum Stillstand gebrachten Fragmenten erneut hervorrufen: Fragmente der sich ständig ändernden Welt in Form von Fotografie, Malkunst, Zeichnen. Die Kunst ist das beste Gedächtnis der Wirklichkeit. Aus der Zeitperspektive scheint die Riesengebirgslandschaft in der Kunst auf spezifische Weise zu existieren. Die Anregungen seitens der realen Welt hatten einigermassen ziemlich konservative Eigenschaften in der Illustrationskunst hervorgebracht: ohne Rücksichtnahme auf die zeitgenössich herrschenden Kunstmodeerscheinungen hatten die hier schaffenden Künstler, die Grundsätze der Mimesis nicht versäumt. Als Wislicenus - fasziniert von der Schönheit der Jugendstilformen - auf dekorative Art die Linien der Wolken und Felsen stilisierte - blieb er doch treu den auf den ersten Blick erkennbaren Riesengebirgsmotiven. (Il. 19)

Die Darstellung der Berge in der Malerei und Grafik der Vorkriegszeit verband die Vorliebe für das Zeigen von konkreten Aussichten in verschiedener Beleuchtung und Farben.

Die Schneekoppe mit ihrer regulären, wie mit einer einzigen Handbewegung gezeichneten Linie, die den Block des Bergmassivs in Umriss setzt, erscheint in der ästhetischen Wahrnehmung der Vorkriegszeitkünstler sehr oft. Sogar die Gehöfte in dieser Gegend sehen so aus, als wenn sie für die Beschaulichkeit des Hauptmotivs gebaut wären - das wichtigste in ihrer Lokalisierung ist eine genaue Aufstellung in der Landschaft. Berglandschaften - in Hausfensterrahmen festgehalten - sind Naturbildnisse, Ausschnitte einer wirklichen Welt. Ihre Anwesenheit bezeugt ein stark entwickeltes Schönheitsbedürfnis im alltäglichen Leben der Vorgebirgebewohner.

Nach 1945 ist es schon schwierig von einer Wiederkehr zu der Tradition der Malerei, Grafik und Fotografie zu sprechen. Eine derartige Anknüpfung wäre auch deswegen unmöglich, weil die deutsche und im grösseren Mass die tschechische Kunst dieser Region den Künstlern nicht bekannt war. Doch die Berge - ohne Rücksicht auf die geschichtliche Lage - übten auf alle Künstlerpersönlichkeiten ihre Anziehungskraft aus. Am Ende der 40. Jahre führte Pleinairveranstaltungen für Studenten der Kunsthochschule £ód¼ - W³adys³aw Strzemiñski - der Schöpfer einer der modernsten Richtungen in der polnischen Kunst - des Unismus - u.a. im Riesengebirge, in Krummhübel - Brückenberg. In den damals enstandenen Entwürfen und Zeichnungen hatte er eine Synthese der Berglandschaft im Gebiet der Schneekoppe gezeigt. Wohl kein anderer vor ihm konnte in einer so kurzen und bündigen Beschreibung das Wesentliche dieser Berglandschaft vorstellen.

Die Berge inspirierten und entfachten Schaffenslust. Sie erschienen in Fotografien von Jan Korpal, Stefan Arczyñski, in den Bildern von Tadeusz Nodzyñski, Leon Turalski, ab und zu in der Malkunst von Wlastimil Hofman, später - in der Kunst von Ró¿a Farbisz-Kijankowa, Jerzy Kolankowski, Tadeusz Kaczmarek, in der Aquarellenmalerei von Edward Kiczak und bei vielen anderen, die nach dem Kriege in diesen unbekannten Gegenden, rund um den hohen Berg ihr Heim fanden.

In unseren Zeiten kann man eine Wiederbelebung der Faszinazion seitens der Landschaft in der Kunst beobachten.Sie ist für die Künstler ein wichtiger Ansporn für ihr Schaffen. Die von der Natur inspirierten Werke sind verschiedenartig und - die Fotografie ausschliessend - stellen selten die erfahrungsgemäss kennengelernten Aussichten dar.

Das für die Kunst wesentlichste Problem ist heutzutage eher ein Versuch der Erfassung eines kondensierten Bildnisses der Natur, oder ihres Zeichens in der Malerei, Bildhauerkunst und Installation.

Das Innenwohnende in der Weltbetrachtung - ähnlich wie im Denken der Malkünstler des 19.Jhts - sieht man in der zeitgenössischen Fotografie. Am Fuss des Riesengebirges, im Klima der vorkriegszeitlichen Geistigkeit wurde sie eine aussergewöhnliche Erscheinung. Mit der Tradition der damaligen Kunst verbindet sie sowohl das Streben zur Unmittelbarkeit und Wahrhaftigkeit des vorgestellten Bildes, wie auch die Konzentration auf das Gefühl, das für die Persönlichkeit des Autors charakteristisch ist - der Empfang des Motivs. Diese Fotografien sind Spiegel der Wirklichkeit, bewahren ausserdem das Besondere für die Stimmung des Ortes und der Zeit. Das fotografische Bild ist sowohl ein Zeugnis, wie auch eine Kreïerung. Die intensive Anwesenheit des Lichtes, das aus dem Schatten Umrisse der sichtbaren Welt hervorbringt, ist Ursache, dass in der Fotografie dieser Art gewöhnliche Orte magische Eigenschaften aufweisen.

Ein wesentliches Element, das diese Fotografie mit der Vergangenheit verbindet, ist die Art des Registrierens, das zu den werkstättlichen Methoden zurückgreift, die den Anfang von diesem Schaffensbereich kennzeichnen. Die Einprägung des Weltbildes mithilfe der alten fotografischen Kamera vermittelt das Bewusstsein der Verbundenheit mit der Zeit, die nicht mehr da ist. Es ist eine magische Rückkehr zu den Quellen der Fotografie, ein Hervorrufen der heute vergessenen Feierlichkeit des Schöpfungsmomentes.

Der Entschluss für die Bildwinkelwahl muss sorgfältig überlegt werden. Ausser den Effekten, die von der Unvollkommenheit der alten Objektive herkommen können und die man nicht vorhersehen konnte, ist das Bild auf der Mattscheibe bereits eine vollständige Fotografie. Die Kontaktkopien von grossformatigen Negativen verschaffen die Möglichkeit einer Untersuchung der Struktur des vorgestellten Motivs und die Aufzeigung der ganzen Ausführlichkeit der Welt.

Das Phänomen solcher Bildlichkeit der Fotografie wurde von den Kritikern "Hirschberger Schule", bzw. Kreis der reinen, elementaren Fotografie genannt. Es ist aber keine Kunstschule im institutionellen Sinn.1

Die in der Ausstellung vorgestellten Arbeiten von Ewa Andrzejewska, Wojciech Zawadzki und Tomasz Mielech (Il. 45, 46, 50) kann man in der Kategorie der Verwirklichung einer Visualisierung der Welt beschreiben. Die Realität in den Fotografien der Genannten wird dem Filter der Einbildungskraft, der eigenen Gefühle und der subjektiven Erlebnisse unterworfen: "(...) hat gedankliche Eigenschaften. In manchen Fällen geschieht es so, als wenn die Fotografie eine besondere Eigenschaft aufwies, deren Original [Realität] diese Eigenschaft nicht besitzt: die Eigenschaft des Spektrums. (...) Die Fotogenie ist (...) ein Konglomerat von wesentlichen Eigenschaften des Schattens, der Rückstrahlung und des Spektrums; diese Zusammensetzung gestattet den für die Denkbilder verantwortlichen Gefühlselementen eine Übertragung auf das Bild, das dann eine fotografische Reproduktion wird."2

Eine geistige Fortsetzung der vorkriegszeitlichen künstlerischen Tradition vermutet man im Schaffen von Marek Liksztet. Seine grafischen Arbeiten scheinen eine Probe der Naturbeschreibung in Universalkategorien zu sein. Sie sind ein Suchen nach etwas Ständigem, Wiederholbarem, welches die ganze Kompliziertheit der Welt in Ordnung bringen möchte. Der Künstler besitzt die seltene Fähigkeit des Stillhaltens im Bild der verdichteten Landschaftsempfindung. Trotz der Sparsamkeit der Ausdrucksmittel, der Sublimierung - fern von einer weitläufigen Beschreibung der äusseren Welt - ist in den Grafiken aus dem Zyklus "Horizont" - oder in den Fotografien "Notizen - Aqua" der Zusammenhang mit einer Konkretisierung der Landschaft immer existierend.

Im Zyklus "Pyramis" (Il. 52) sind die Figuren der spielfarbigen, abstraktformigen Dreiecke als selbstverständlichste Symbole der Berge; Pyramiden aber sind bereits eine Synthese der Natur, ein Symbol ihrer Endlichkeit und Vollkommenheit. Sie überschreiten die Grenzen der Mimesis und werden reine Zeichen, Ideen.

Marek Liksztet ist in Kowary (Schmiedeberg) geboren und erzogen worden, in der Stadt also, die besonders starke Traditionen für Grafik hatte. Im 19.Jh. waren hier bekannte grafische Werkstätten und Verlage der s.g. Schmiedeberger Schule von Knippel, Rieden, Tittel und Mattis tätig. In vielen Häusern konnte man noch bis heute Grafiken der Schmiedeberger Verlage antreffen, auch Werke von anderen vorkriegszeitlichen Künstlern. Nach 1945 hatte die grafische Tradition des Ortes ein Ende, um in kurzer Zeit im Schaffen von Józef Gielniak das ganze geistige Potenzial ein Wiederaufleben zu erfahren. Im Jahre 1953 kam der Künstler in das Sanatorium "Bukowiec" (Buchwald) und blieb dort bis zum Lebensende im J. 1972. In seinen Grafiken wirkt das Gedächtnis von der persöhnlichen, der Wirklichkeit beraubten Welt, die, trotz ihrer Nähe dem Abstrakten, in der Realität doch erkennbar erscheinen. Man kann hier nicht eindeutig sagen, ob die Tatsache des Aufenthaltes im Ort mit so tiefgreifenden Traditionen für den Schaffenden irgend eine Bedeutung hat. Doch ist etwas dabei, wofür eine geistige Ausstrahlung, die Stimmung des Ortes auf die Künstler in jeder Zeit und unabhängig von der Geschichte einen Einfluss ausüben kann.

Die Berglandschaft ist auch eines der wichtigsten Ansätze für den Grafiker Marek Lercher (Il. 51). Seine Berge, beschrieben mithilfe einer schwingenden, bewegvollen, doch erwägten Kontur sind voll von Spannungen und Kontrasten. Immer öfter füllt der Künstler die Umrisse der vorgestellten Welt mit Flecken von reinen Farben aus. Der Hang zur Synthese und zur Behandlung der Erscheinungen in kosmischen Kategorien verbindet die Arbeiten des Künstlers mit der grafischen Tradition des Fernen Ostens, besonders der japanischen Holzschnitte uki - yo - e. Lyrisch - doch sparsam, übermitteln sie die Wahrheit von der Schönheit der veränderlichen Welt.

Zu denken gebend ist das Bild der aus Wroc³aw stammenden Bogumi³a Twardowska-Rogacewicz (Il. 65). Nach etlichen Jahren des Wohnens in der Nähe der Berge - hat diese Landschaft der Künstlerin neuen Raum gegeben und wurde ein Weg zur Synhese und ein Streben nach Allgemeinheit. Sie legte ihre Malkunst der Landschaft bloss und erlaubte den Bergen einen Einfluss auf ihr Schaffen auszuüben. Die Fläche des Bildes "Rund um den grossen Berg" ist in zwei selbstständig lebende Realitäten aufgeteilt: die eine ist eine Vorstellung des Blickes auf den Berg - im Gedächtnis bleibend, verallgemeinert, durch ein Filter von der Zeit und der Einbildungskraft projektiert; die zweite, eine abstraktnahe Vorstellung vielleicht eines Wandfragmentes mit aufgelegtem Reflex einer grossen Stadt. Es ist ein Blick aus weiten, der Berglandschaft entfernten Stadtecken, wo in den Fenstern eines Hauses alle andere Nachbarhäuser sich wiederspiegeln. Das Bild stellt ein sehr persöhnliches, individuelles Erleben der Verbundenheit mit dem hohen Berg dar, der an jedem Ort anwesend ist. Man muss ihn aber bemerken.

Eine mystische Vision des Berges, dessen Wesen eine Emanation des Sacrums im jeden Teilchen der Landschaft zum Vorschein kommt-schuf in seinen Werken Henryk Smagacz (Il. 58). In seiner Sicht ist die Natur majestätisch, wild, nahe der romantischen hochgefühligen Betrachtungsweise von C.D. Friedrich, oder - weitergehend - der Betrachtung des mittelalterlichen Theaters der Natur. Charakteristisch für diesen Künstler ist die Sorge um die Wirklichkeit der Einzelheiten bei einer gänzlichen Nichtbeachtung und Nachbildung der Wirklichkeit. Sein Berg ist eine Übermacht, eine Dauerhaftigkeit und Unendlichkeit, die die herausragenden, majestätischen Felsen symbolisieren, so wie die auf die Erde herabsinkenden schweren Nebelwolken. Der einzige Hinweis für die Existenz der Menschen in dieser lereen Landschaft sind Ruinen von unerkennbaren Bauten, die ausschliesslich Gedanken über die Vergänglichkeit und den Sieg der Natur über den Menschen hervorrufen.

Am nahesten der Entdeckung des Geheimnisses der Welt - obwohl von der buchstäblichen Nachbildung entfernt - scheint die Malkunst von Urszula Broll-Urbanowicz zu sein. Ein Versuch sie zu beschreiben, ist ausser aller Nominierung und Verallgemeinerung - alswenn die Sprache dieser Bilder andere Bereiche des Geistes betreffe, denn als wir imstande sind sie auszusprechen. Eine Malerei, die ein reines, geistiges Erlebnis ist, eine Synthese des Gefühls und Empfindens - ist eine Vorahnung der Welt, vielleicht ganz nahe der Grenze der Kentnnis.

Mit dem Runenzeichen des Hausfeuers gekennzeichnet besteht der hohe Berg von Urszula Broll-Urbanowicz aus einer unendlichen Anzahl von Bergen und fern der irdischen Realität sich befindenden Berggipfeln. (Il. 57) Für die Erkenntnis zugänglich scheint nur der vom weiten sichtbare Pfad zu sein. Mit dem zurückgelegten Weg ist klar, dass der hohe Berg nicht mit Bezwingung des Gipfels der Wanderung ein Ende macht, dass der Pfad weiter führt...

Die Aussagekraft der Malkunst von U. Broll-Urbanowicz ist eine zutiefst geistige. Indem wir in Berührung mit dem Bilde kommen, können wir mit der Entdeckung des Geheimnisses anfangen. Wenn es uns gelingt uns für das Geheimnis zu öffnen - werden wir vielleicht diese Malkunst nicht verstehen lernen, denn nicht um das Verstehen geht es hier, doch können wir in das Wesen von etwas Wichtigen eindringen, nicht Nennbaren, einer Vorahnung der Welt, zu dem was hinter ihr ist - vielleicht an die Grenze der Eigenerkentnis...

Eine pantheistische Schau der Landschaft von symbolischer Herkunft ahnt man im melancholischen, in der Ordnung eines Triptichons gebauten Bild von Teresa Kêpowicz (Il. 59).

Sein Mittelteil eröffnet die Vorstellung einer im Nebel gehüllten Landschaft mit nostalgischen Morast. Die Landschaft der Sumpfebene ist eine realistische Vorstellung des ungewöhnlichen Anblicks des Koppenplans mit wasserhaltigen Sümpfen und Torfmooren. Trotz der Realität des Bildes scheint doch das Wichtigste im Bild die Austrahlung eines Geheimnisses zu sein und der Versuch, die Stimmung des stillen Lebens auf der Ebene, zu erfassen.

Eine Verbindung mit der Vergangenheit und eine traditionelle, wirklichkeitsgetreue Bauweise der im Bilde vorgestellten Welt fasziniert Pawe³ Trybalski, den Meister der surrealistischen Übertragung. Dem Künstler ist die Fähigkeit zueigen, sowohl die Beeinflussung des Raumes, wie auch die Dreidimensionalität des Motivs und seiner materiellen Struktur zu bauen. Mit dergleichen Pietät spendet er seine Aufmerksamkeit jedem Detail, denn für ihn ist jede Einzelheit ein einzigartiges Weltall. In seiner malerischen Beschreibung ist der hohe Berg (Il. 60) zwischen einem wirklichkeitsgetreuen Realismus und einem magischen Surrealismus des Ortes, in dem er sich befindet, suspendiert. Er zerfällt in seinen unterirdischen Fundamenten und zerstreut in den Kosmos die ausbrechenden Steine. So wird er Symbol für die Unbeständigkeit der realen Welt - die hier nur einige Mommente dauert, um wieder in der Unendlichkeit zu münden. "Vielleicht ist es ein Surrealismus, vielleicht Science-Fiction, vielleicht eine Metapher. Die konkrete Welt und die gleichzeitig nicht existierende. Aus Materie und Geist. Was in ihm wichtiger ist - kann man nicht eindeutig sagen. Denn es ist eine untrennbare Einheit."3

Der Berg von Pawe³ Trybalski ist dem Himmel nahe, umformt sich selber in den Weltallraum. Bestimmt die universelle Einheit des Weltalls. Vermittelt das Geheimnis der Weltenalchemie, der ewigen Wanderung der Grundstoffe und Elemente.

Eine gänzlich andere Welt stellt Krzysztof Figielski vor - ein Künstler, der der Vergangenheit des Ortes mit dem er verbunden ist - seine Aufmerksamkeit spendet. Er verdolmetschte und illustrierte die Gedichte und Notizen von Carl Hauptmann, der einstens in Schreiberhau in derselben Strasse wohnte. Seinem Werk hat er diese Widmung verliehen: "Dem hier vor 100 Jahren wohnenden Nachbarn." Figielski`s hoher Berg hat seinen Platz im Raum der "Unterwasserhaftigkeit". Es ist ein Berg der Schwärme, der Mären, der in Wirklichkeit nicht erreichbaren Landschaft der Burgen, der fantastischen felsen - und pflanzenartigen Formen, die in der realen Wasserwirklichkeit existieren. (Il. 69)

Der Berg von K. Figielski ist in der Welt der "Unterwasserhaftigkeit" zugänglich, dort kann er eine Quelle der Kraft sein, ein Ansporn für die Einbildungskraft und - vermögen. Er ist ein Symbol für einen wundervollen Ort, zu dem wir gewöhnlich nur in den Träumen gelangen.

Eines von den wichtigsten Motiven in der Kunst hinsichtlich der Idee des Berges ist das Motiv des ewigen Heimatlosen. Dem Motiv - in einer einwenig humorvollen Weise - begegnet man in der Zeichnung von Vahan Bego (Il. 56). Trotz der im Werk anwesenden Alltagsstimmung kann die Einsamkeit der Gestalten eine Metapher für die irdische Wanderung der Menschen, für die Sehnsucht nach dem Unbekannten, Vorausgefühlten, Unvermeidlichen sein. Im Zusammenhang mit den monumentalen Plastikrealisationen von Vahan Bego: des Werkes am Tirolerhaus im Mys³akowice - das man "Rückkehr des Wanderers" benannte, des Denkmales "Don Quichote" in Jelenia Góra, sowie im Kontekst mit dem verwirrten Schicksal des aus Armenien stammenden Künstlers - nimmt die Zeichnung mit der Darstellung eines belanglosen Spazierganges eine wichtigere Bedeutung an. Die Wanderung wird eine Suche nach dem eigenen Platz auf der Erde, ein Versuch, das Fatum abzuwenden und seinem Schichsal zu folgen.

Einen starken Bund mit der Natur verzeichnen die Werke von Beata Justa, einer Künstlerin, die im Riesengebirge - mitsamt den Erzählungen über Rübezahl - den Geist dieser Berge - aufgewachsen ist. Das wichtigste, fast magische Motiv ihres Schaffens ist die Gestalt des Hirsches, der ein Zeichen und ein Amulett zugleich, für die Künstlerin ist, der sie mit der Natur verbindet.4 Der Hirsch erscheint sowohl in ihren Zeichnungen, Bildern, Lederfahnen, wie auch in der Monumentalrealisation im Bereich der Kunst der Erde: am Abhang eines Hügels in Niedamirów - ein Umriss des Hirsches aus Steinen und absichtlich ausgesähten Pflanzen. In den Zeichnungen auf Seide aus dem Zyklus "Rübezahl und sein Gefolge" erscheint auch das Motiv des Hirsches, der Königen der Hirsche und des Berggeistes (Il. 61), den die Künstlerin als einen diabolischen Kobold mit Habichtkopf, Hirschhörnern, Löwenvordertatzen, Ziegenbockhinterbeinen und Hahnenschwanz vorstellt. In der Rübezahlgestalt greift die Künstlerin zur Tradition - zu der ersten Vorstellung des Berggeistes auf der Karte von Böhmen aus dem Jahre 1510.

Die Berge als Orte von Kraftanballung, Energieausstrahlung sind für Tomasz Sikorski wichtig - obwohl er in zwei verschiedenen, energetisch sich gegenseitig ausschliessenden Raumordnungen wohnt: der Zivilisation - Warszawa und der Natur - Kopaniec, einem Dorf an den Abhängen des Isergebirges. In seiner Installationskunst sind diese Kontraste: der Kultur der grossen Stadt und der Stille des Hauses in den Bergen - als universelles Weltgegensätzliches sichtbar. Das Symbolische der Gegensätze findet man auch in der Installation, die die Wandmalerei und Fotografie "Aus der Abendburg" in der Ausstellung in Jelenia Góra (1995) gezeigt wurde. Sie war eine Dokumentation der Idee von den elementaren Gegensätzen der Welt - einer Symbolik des Horizontalen und des Vertikalen. Die Anhäufung des Vertikalen bedeuten in dieser Vorstellung die Gewalt der Erde und des Himmels, Vulkanenergie, Sturmausladungen, Regengüsse, Wachstumsenergie und die Schwäche des Fallens. Die Fotografien der Berglandschaften von einheitlicher Linienführung des Horizontes waren in diesem Zusammenhang eine Illustration der Idee des Horizontalen, der Berührung des Himmels mit der Erde. Die Installation "Aus der Abendburg" (Il. 67) kann ein Symbol der in den Horizontal - und Vertikallinien angeballten Vorstellung der kosmischen Gegensätze sein. Die grob durchgeführte Beschreibung der Kunst der reinen Ideen bei Tomasz Sikorski veranlasst zur Kontemplation, zum tiefen Erleben der ausserhalb der sensitiven Realität bleibenden Wirklichkeit.

Das Interesse an der Natur, den Versuch aufzuzeigen, was in ihr fest und unveränderlich ist - bezeugen auch die an der Südseite des Riesengebirges wohnenden tschechischen Künstler. Die tschechische Fotografie in der Ausstellung repräsentieren Karel Do¹ek, Jiøí Hladík und Karel Hník. Vom Ästetischen ist sie weniger einheitlich - im Vergleich mit dem Hirschberger Kreis der Fotografen. Am nähesten des Begriffs "reine Fotografie" in der Beschreibung der Berglandschaft sind die Werke von Hladík und Hník. (Il. 47, 48)

Sie sind von einer Konzentration und Kontemplation des gewählten Anblicks gekennzeichnet. Die grossformatigen Arbeiten von Do¹ek (Il. 49) wirken mithilfe des vergrösserten Bildes, in dem das fotografische Überarbeiten von einfachen und allgegenwärtigen Motiven - das Feld für den Bau der allgemein gültigen Bedeutungen erschliesst.

Das edle Resultat der Realisierung von Jan Nikendey hat seinen Anfang schon im Schaffensprozess. Seine Schmiedekunstgegenstände sind in Material verzauberte Mysterien der Elementenumwandlung: ineinander verschmolzene Naturkräfte der Erde und des Feuers. Das vom Künstler bezwungene Feuer gestaltet und verwandelt den Erdgrundstoff - das Metall. J. Nikendey überträgt die Räumlichkeit des Berges auf einen Kunstgegenstand (Il. 66). Das plastische Werk des Künstlers- teilweise im Metall gehauen, teilweise gegossen - ist wie ein aus der Natur gehobenes Fragment des Erdquerschnittes: die Metallschichten ordnen sich wie geologische Schichten in einen selbstständig existierenden Organismus, in einen eigenartigen Bau, Berg, Kapelle, Tempel. Sie sind nahe dem Abstrakten und doch voll von Beziehungen zu der organischen Welt.

Der Berg von Ivana Pelouchová ist eine im Werk geoffenbarte Naturform. Er erinnert an ein Fragment eines verkohlten Eisklumpens oder einen auf natürliche Weise zerfetzten, an den Rändern zerschmolzenen, halbdurchsichtigen Basaltstein. (Il. 63)

In der Natur haben auch den Ursprung die keramischen "Menhirs", die Säulen von Iva Ouhrabková, die den Formen der Erdgestaltung ähneln: durch Erosion bearbeitete Felsen, steinartige Säulen, holzige Baumteile. Iva Ouhrabková verbindet Keramik mit Glas. In dem Werk "Zwischen Himmel und Erde" (Il. 64) erreicht sie durch den Kontrast der glänzenden und durchsichtigen, kalten Glasfläche mit der Wärme der Keramik - einen sensuellen, tastbaren Effekt der Konzentration von kosmischen Gegensätzen, Kontrasten, Naturkräften, eine Durchsichtigkeit, Luft - und Wasserflüchtigkeit, sowie eine Beständigkeit, Festigkeit und Wärme des Erdelementes.

Physische Erlebnisse, verbunden mit den Anstrengungen der Bergbesteigung in Winterverhältnissen haben zu einer Serie von erlebnissreichen impressionsvollen Zeichnungen von Ilona Chvalová beigetragen, in denen wegen des allumfassenden Schneegestöbers die Grenze zwischen Himmel und Erde gänzlich verschwindet (Il. 72). Die Festhaltung des Augenblicks, des Eindrucks dessen, was im Gedächtnis blieb - könnte man vergleichen mit den impressionistischen Bildern von Otakar Lebeda, des tschechischen Künstlers, der einen von seinen Besuchen im Riesengebirge vor fast 100 Jahren im Bilde einer im Nebel verschwindenden Landschaft festgehalten hatte. (Il. 12)

Roman Karpa¹ betrachtet gewissenhaft im kolorierten Holzschnitt die Landschaft des nacheiszeitlichen Kessels unter der Schneekoppe und umwandelt sie in einen grafischen, synthetischen, konturenhaften Umriss. (Il. 74)

Die Schneekoppe von Karel Rybáèek (Il. 70) ist winterlich, fein, eindrucksvoll aber auch konkret - ein Effekt der Errinnerung an die gesehene Welt.

Vom Weg der Nachahmung der Wirklichkeit geht Alena Bílková ab. Sie stellt einen lichtvollen, Wasser - bzw. Luftstrudel vor - einen kosmischen Kreis, eine Art von Mandala, einen Raum um den Ort, der gesammelte Energie aufweist - vielleicht auch eine konkrete Fläche rund um den hohen Berg... (Il. 53)

Eine besondere Gruppe sind Arbeiten von deutschen Künstlern. Es ist offensichtlich,dass heute die Schneekoppe für sie nicht dasselbe Motiv ist, das in den Werken der polnischen und tschechischen Künstler, die in dieser Region wohnen, so erkennbar erscheint.

Ein Ausnahmefall unter den Werken von deutschen Künstlern ist eine wirklichkeitsgetreue Vorstellung des hohen Berges, der Schneekoppe von Eberhard Peters. (Il. 54)

Die Ausführungen von deutschen Künstlern zeigen eine grössere Verschiedenheit auf, einen Abgang von der Buchstäblichkeit und einen Mangel des die Künstler verbindenden: Zauber des Ortes. Die Bilder und Grafiker beschreiben den Berg nicht konkret - eher allgemein - wie jeden Berg in der Welt. Auch den, den jeder in sich trägt.

Unter den Werken aus Deutschland kann man das von Isa Brützke hervorheben: eine Berglandschaft auf Papyrusmateriall mit kalligrafierten Versen über die Berge von Hermann Hesse. Die Strofen bilden Bergkämme, die Buchstaben liegen aufeinander. (Il. 71)

Warm in den Tönen, unbeschwert in den Art des Malens, monochromatisch in Tönen von Röten und Gelb ist die Aquarellmalerei von Dietrich Arlt (Il. 62), eines Künstlers, der für alle Bereiche des Schaffens offenherzig ist: Malerei, Plastik, Installationen und der seit 1997 ein Zentrum für Kultur und Kunst - den Kunstbahnhof Herrnhut - ins Leben gerufen hat und leitet. Die Aquarelle ist eine Technik, die die Emotionen des Künstlers unmittelbar anspricht. Sie ermöglicht jedes Gefühl aufzufangen, jede Ergriffenheit und jede Unentschlossenheit. Sie registriert den Gefühlsstand des Malenden. Ungehinderte Fläcke einer enorm entrealisierten, expressiven und stark wirkenden Farbe vermitteln Gefühlseindrücke, die als Antwort auf die Wahrnahme der realexistierenden Berglandschaft aufkommen: der Landschaft der Einbildungskraft, mag sein, auch der Landschaft der Erinnerungen.

Nahe dem aussagereichen Realismus vom Anfang des 19. Jhts sind die Werke von Erhard Gassan, Lütz Jungrichter und Iris Brankatschk. (Il. 73, 75, 76)

Die Grafik von Almut Zielonka mit der über einer Schlucht ausgedehnten Brücke (Il. 55) kann auf eine Faszination mit der Idee der Räumlichkeit deuten, die wie eine unpassierbare, gefährliche Tiefe und zugleich wie eine verbindende Brücke erscheint - den Menschen mit der Welt verbindend.

Eine moderne, mit ein wenig Humor getränkte Denkensweise stellt Michael Vogler vor. In der Serie "Bach im Gebirge" , "Morandi im Gebirge" (Il. 68) und "Eva im Gebirge" zeigt er die semantische Bedeutung und die verschiedenen Arten des Begriffs "Berg". Es kann ein Umriss des weiblichen Körpers sein, ein Bindeglied in der Noteneinschreibung, oder ein Fragment des architektonischen Projektes. Das Werk ist wohl das einzige, in dem das Thema "Berg" in einer völlig verschiedenen Weise behandelt wurde - ohne Zusammenhang mit dem gewöhnlichen Einfluss der sichtbaren, bzw. in Erinnerung bleibenden Wirklichkeit.

"Rund um den grossen Berg" ist die zweite - nach "Aus der Abendburg" BWA - Galerie - Ausstellung, die diejenigen Künstler vorführt, die der gemeinsamen Faszination für einen bestimmten Ort im Gebirge huldigen.5 Sie ist ein Versuch die Erscheinung des Berges, der eine Anziehungskraft ausübt, der inspiriert und Schöpfungslust auslöst - zu erforschen.

Die Aufstellung der zeitgenössischen Werke von deutschen Künstlern hinsichtlich der Vorführung von Arbeiten der im Riesengebirge wohnenden polnischen und tschechischen - beweist unzweifelhaft, dass der hohe Berg das Schaffen anspornt und für sie wichtig ist.Der Berg löst Schaffenkraft aus, setzt die Einbildungskraft in Bewegung. Falls er nicht eine Hauptquelle für die Inspiration ist, setzt er versteckte Schaffenskraft in Gang. Die Tatsache, das heutzutage die Schneekoppe kein direkter Schaffensimpuls für deutsche Künstler ist, bringt an den Tag, dass ihr Einfluss auf die Schaffenden begrenzt ist - denn das wichtigste ist doch das, was hier und heute im unmittelbaren Erlebnis erreichbar ist und was man im Momment empfindet. Der Berg zieht die Künstler an - auch diejenigen, oder besonders, die fähig sind grosse Städte und Kulturzentren zu verlassen, um an ihrem Abhang zu wohnen und sich dem Einfluss der Erdenergie zu unterwerfen. Vor dem Kriege konnte man solche Fälle oft wahrnehmen: die damaligen Künstler - sowie es jetzt auch noch geschieht - kauften Gehöfte in den Bergen und zogen um, um im Riesengebirge zu schaffen. Auch die hier geborenen (z. B. Justa, T. Kêpowicz, M. Liksztet) kamen nach ihrem Studium hier zurück, um am Ort ihrer Kindheit zu wohnen. In der zeitgenössischen Kunst im Umkreis des hohen Berges ist das gleiche Landschaftserleben bemerkbar; das kann man in den Werken der vor dem Kriege lebenden tschechischen und deutschen Künstlern beobachten. Mag sein, dass die Gedanken, die amselben Ort entstehen, mit ähnlichen Empfindungen der geistigen Erdausstrahlung verbunden sein können. Es scheint so zu sein, dass wenn man ins Gebirge fährt um am denselben Ort - wie vor 100 Jahren - aus der Bahn steigt, wenn man dieselben Wege geht, an denselben Aussichten sich ergötzt - dann entsteht die geistige Verbundenheit der Gegenwart mit der Vergangenheit.

Da aber niemals und nichts genauso sein kann, ist auch die heutige Kunst eine andere. Ihre Hauptaufgabe ist nicht mehr das Erforschen der Landschaft und Veränderlichkeit in der Natur. Falls die Kunst unserer Zeit eine naturnahe ist, geht ist viel mehr um einen tieferen Einblick in ihr Wesen und Erforschen der Grundgesetze des Weltalls.

Joanna Mielech

Joanna Mielech - Kunsthistorikerin, Kurator von Ausstellungen in der BWA - Galerie in Jelenia Góra. Mitautorin des zeitgenössischen Teiles der Ausstellung "Die Imposante Landschaft. Künstlerkolonien im 20.Jh. im Riesengebirge" und des Textes im Buch unter demselben Titel. Vorträge am Hochstudium für Fotografie in Jelenia Góra.Anmerkungen:1 Unter den Personen die sich mit der reinen Fotografie befassen und die man mit der Benennung"Hirschberger Kreis" aufführt sind folgende: Janina Hobgarska, Jacek Ja¶ko, Piotr Komorowski, Marek Liksztet aus Jelenia Góra, Jakub Byrczek, S³awoj Dubiel, Maciej Hnatiuk, Eugeniusz Józefowski, Janusz Nowacki, Rafa³ Swosiñski, Marek Szyryk, Bogdan Konopka, Andrzej J. Lech - die aus Katowice, Opole, Wa³brzych, Wroc³aw, Poznañ sogar Paris und New York zu Pleinairs der Bergfotografie in das Riesengebirge kommen.2 E. Morin, Kino und Einbildungskraft, Zit. in: Bli¿ej Fotografii. Ausstellungskatalog, BWA Jelenia Góra 1996. 3 E. Dzikowska, Licht des Allichtes, Einleitung zum Katalog für die Ausstellung von Pawe³ Trybalski "Aus den Sammlungen meiner Freunde", BWA Jelenia Góra , Juni 2000.4 Mehr über die Tätigkeit von Beata Justa und über das von ihr und ihrem Mann - Grzegorz Potoczak errichtete Haus der Drei Kulturen "Parada" in Niedamirów - im Beitrag " Wiederkehr der Künstler ins Riesengebirge" von J. Hobgarska u. J. Kozio³ im Ausstellungskatalog "Imposante Landschaft. Künstler und Künstlerkolonien im Riesengebirge im 20. Jh."5 "Aus der Abendburg", Juni 1995, BWA Jelenia Góra. In der Ausstellung waren anwesend: Teresa Biel - Lutos³awska, Krzysztof Figielski, Zbigniew Fr±czkiewicz, Hanna Korolczuk, Oskar de Sage Schmidt, Tomasz Sikorski, Henryk Waniek. Eine bleibende Realität von dieser Ausstellung ist der Stein mit dem Zeichen von Z. Fr±czkiewicz vor der BWA - Galerie in Jelenia Góra in der D³uga - Str. aus der "Abendburg" im Isergebirge.
 

Die Seite wird von der Europäischen Union in Rahmen des PHARE-Programms finanziert.

Geschichte Verlage Künstler Ausstellungen Erziehung Information